Dienstag, 10. August 2010
... denn er wusste nicht, was er tut
Der Sportjournalist Raphael Honigstein ist den deutschen Fußballfans kein Begriff. Wie denn auch, wenn er regelmäßig im Guardian und bei Sports Illustrated publiziert oder im Fernsehen auf CNN auftritt. Er redet dann immer in perfekt pointiertem Englisch, wie es sich für einen angelsächsischen Reporter gehört, mit viel Sachverstand und noch mehr Ironie über die Bundesliga, wie auch über die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Ein Mann, der seine Nische gefunden hat: Von der Süddeutschen, als einer unter vielen, auf die Weltbühne, wo er praktisch konkurrenzlos ist. Denn dort heißen seine Mitspieler nur Lothar Matthäus oder Jürgen Klinsmann.

Und gerade jetzt sind die Zeiten sehr aufregend: Die Premier League zerbröckelt so langsam; im letzten Champions League-Halbfinale stand kein englisches Team; Scheichs, Cowboys und Abramowitschs kommen und gehen; die Nationalmannschaft schied peinlich gegen den Erzfeind Deutschland im Achtelfinale der Weltmeisterschaft aus. Die teuerste und deshalb immer noch beste Fußballliga der Welt glänzt ein bisschen weniger. Raphael Honigsteins Steckenpferd dagegen, der deutsche Fußball, blüht richtig auf. Bundesliga und deutsche Nationalmannschaft boomen dank solidem Wirtschaften und Fabel-WM. Überalte Stars wie Raul, Hyypiä oder van Nistelrooy wechseln nach Deutschland. Die Welt interessiert sich jetzt in Maßen für Schweinsteiger, Müller, Khedira, Özil und Co., besonders wenn sie für gutes Geld ins Ausland gehen.

Ungefähr eine Woche, bevor der Ex-Stuttgarter Sami Khedira seinen Fünfjahresvertrag bei Real Madrid unterschrieb, twitterte Honigstein, es gäbe keinen Kontakt zwischen den Parteien. Aus Khediras engem Umfeld gäbe es Entwarnung. Man könnte das als Zufall abtun, wenn nicht schon wieder ein deutscher Nationalspieler, der sich in Südafrika ins Rampenlicht zaubern konnte, im Mittelpunkt von Transfergerüchten stehen würde. Und wenn nicht abermals jener Honigstein über Twitter verlauten lassen würde, er hätte mit Mesut Özils engen Vertrauten gesprochen, sie hätten jedoch keine Ahnung von einem Vertrag zwischen dem Noch-Werderaner und dem FC Barcelona.

Mitterweile darf man also diese Art von Twitternachricht als vielleicht klarsten Indikator dafür nehmen, dass ein weiterer junger deutscher Nationalspieler zu einem der europäischen Topklubs wechselt, von dem jeder Fußballer mindestens einmal in seiner Karriere träumt. Nicht nur gute Zeiten für deutsche Nationalspieler, auch für Sportjournalisten, die nicht wissen, was sie tun. Oder die sich zumindest nicht darüber im klaren sind, welche Auswirkungen ihre Twitternachrichten auf den Rest der Welt haben. Das Oberhausener Krakenorakel Paul hat einen ernstzunehmenden Konkurrenten bekommen.

Links: - Twitter, - Guardian, - Sports Illustrated

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