Donnerstag, 29. Juli 2010
Venedig-Wettbewerb: QT trifft alte Bekannte
Der Hollywood-Mainstreamfilm war lange nicht mehr so schlecht und einfallslos wie dieses Jahr. Da überrascht es überhaupt nicht, dass sich die Aushängeschilder der US-Industrie als Jurypräsidenten von Cannes und Venedig neue Inspirationen holen. Tim Burton sah diesen Mai zum ersten Mal in seinem Leben einen Film aus Thailand. So viel Glück wird Quentin Tarantino nicht haben: kennt er doch sehr viele der Regisseure, die diesen September im offiziellen Wettbewerb um den Goldenen Löwen konkurrieren.

Ihm und Regisseurin Sofia Coppola wurde hartnäckig eine Liaison unterstellt. Zumindest ihren oscarprämierten Film "Lost in Translation" liebte er aufrichtig und bedingungslos in der Öffentlichkeit. Wie das mit "Somewhere", Coppolas spätem Versuch, "Marie Antoinette" wie einen Ausrutscher aussehen zu lassen, weitergeht, steht in den Sternen. Bessere Chancen auf Liebe hat Tom Tykwer, der Tarantino beim Übersetzen der deutschen Dialoge des "Inglourious Basterds"-Script half: Dessen "Drei" mit Devid Striesow und Sophie Rois, die Rückkehr in die eigene Sprache und kurzzeitige Lossagung von internationalen Großprojekten, wird besonders sehnsüchtig erwartet werden.

Tarantino wird seine asiatischen Buddies Takashi Miike und Tsui Hark wiedersehen: "13 Assassins" und "Detective Dee and the Mystery of Phantom Flame" heißen deren neue Werke. Tatsächlich war es Takashi Miike noch nie vergönnt, einen Preis auf einem der großen A-Festivals einzustreichen. Ihm blieben bisher die Segnungen auf Genrefestivals wie Sitges oder dem Fantasporto. Venedig holte ihn das erste Mal mit "Sukiyaki Western Django" in den Wettbewerb, in dem - richtig - Tarantino eine selten dämliche Gastrolle spielte.

Wohin man blickt, Verknüpfungen: Darren Aronofskys Spielfilm "Black Swan" etwa; die offene Rechnung, dass nicht Tarantino, sondern Aronofsky die Karriere des Mickey Rourke reaktivierte; oder Monte Hellmans "Road to Nowhere"; über Monte Hellman schrieb Tarantino seinen einzigen ernsten Film-Essay, "A rare sorrow", im Sight & Sound-Magazin, wo er die kühne Behauptung aufstellte, einen Regisseur im Westernkanon wegen eines einzigen Films nach ganz oben schreiben zu können.

Und dann natürlich die italienische Filmindustrie, die er disste und provozierte, wo er nur konnte. Nur schwere, lustlose Familientragödien kämen aus dem ehemaligen Genre-Nirvana, dem er vor einigen Jahren in der Venedig-Retrospektive "Italian Kings of the B's" ein weiteres Denkmal setzte. Genügend einheimische Filme sind dieses Jahr im Wettbewerb, um ihn eines besseren zu belehren: "La pecora nera", "La solitudine dei numeri primi", "Noi credevamo" (204 Minuten lang) und "La passione". Nach Genre und Fun klingen die Namen schon einmal nicht. Vielleicht hätte man zur Sicherheit wenigstens den Neo-Giallo "Amer" für den Wettbewerb nominieren sollen, nur um Tarantinos Blutdurst zu stillen. Aber das wäre ehrlich gesagt eine französisch-belgische Produktion.

Am spannendsten werden aber sicherlich die Filmemacher, zu denen Tarantino noch keine Beziehung hat aufbauen können: Francois Ozons "Potiche", Kelly Reichardts "Meek's Cutoff", Julian Schnabels "Miral" und Yorgos Lanthimos in "Attenberg". Und die Filme, die auch Venedig nicht bekam: Terrence Malicks "Tree of Life" und Peter Weirs "The Way Back".

Link: - Offizieller Wettbewerb

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