Freitag, 21. Mai 2010
Cannes-Ticker: 21. Mai
Der Vorzeige-Filmkritiker Todd McCarthy, der gestern anlässlich der "Carlos"-Premiere aus dem verdienten Winterschlaf erwacht war, ist in Feierlaune. Nicht unbedingt, weil die Franzosen dieses Highlight am selben Tag auf Canal Plus präsentiert bekamen, sondern weil er in den letzten Tagen auch einige tolle Dokumentarfilme gesehen hat. Er feiert vor allem "Inside Job", lobt aber auch "Cameraman: The Life and Work of Jack Cardiff" und "Gilles Jacob - Der Mann von der Croisette", der wiederum diesen Samstag, zwischen Champions League-Finale und Eishockey-WM-Halbfinale, seine TV-Premiere auf Arte feiert. Und für die Tarantino-Groupies: Ja, Quentin ist natürlich mit am Start! ;)

Schnellsprecher Mark Kermode von der BBC kann J.Hoberman oder Alexander Horwath nicht folgen, wenn es um den neuen Godard geht.

Wo war eigentlich mein Lieblingskritiker Michael Althen in Cannes? Für die FAZ berichtete Verena Lueken so routiniert, als ob es um die Bamberger Kurzfilmtage gegangen wäre. Und auch Susan Vahabzadeh langweilte zumindest mich in der Süddeutschen. Für Tobias Kniebe gab es keinen Skandalfilm zu verteidigen, also hing auch er in der Luft. Und Rüdiger Suchsland hatte sein Artechock-Tagebuch nach der "Robin Hood"-Premiere verwaisen lassen, nur um bei critic.de überwiegend als Pressekonferenz-Referent in Erscheinung zu treten. Mit Erschrecken musste ich feststellen, in deutscher Sprache am aller meisten von Jan Schulz-Ojala gelesen zu haben, der seine Texte gleichzeitig für Zeit und Tagesspiegel recycelte.

Screen Daily veröffentlicht eine der ersten Kritiken zu Apichatpong Weerasethakuls mit sehr viel Spannung erwarteten thailändischen Wettbewerbsbeitrag "Uncle Boonmee", der vor allem über Twitter eine Menge Buzz generierte. Was mich unter anderem an diesem Film fasziniert, ist, dass er beinahe eine deutsche Produktion ist: Sowohl die innovative Produktionsschmiede Match Factory, als auch die Firma von "Lindenstraßen"-Godfather Hans W. Geißendörfer waren beteiligt. Der Brite Nick James (Sight & Sound) twittert: "A gorgeous, funny and mysterious meditation on how death is received by a shaman in a jungle."

Eine Premiere: Der erste Total Film-Link. Movie Geek Sam Ashurst gibt dem französischen Film "Lights Out" ("Simon Werner a disparu") die Höchstwertung, beschreibt ihn nach dem ersten Sehen, als ob Mario Bava "Donnie Darko" verfilmt, nach dem zweiten Sehen, als ob Doug Liman "Elephant" neuaufgelegt hätte. Seine Karriere wird er aber, wenn er sie denn antreten darf, als französischer "Brick" machen.

Der Guardian hat eine illustre sowie launige Runde, bestehend unter anderem aus dem Guardian-Chefkritiker Peter Bradshaw und Variety-Arbeitsbiene Leslie Felperin, zusammengestellt, die über Highlights und Palmen-Favoriten debattiert. Die Devise heißt, fast immer auf den unmöglichsten Außenseiter zu tippen.

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