Mittwoch, 3. Februar 2010
Liveschlachtung von "Zeiten ändern dich"
Für Kritikenspiegel zu deutschen Filmen gibt es natürlich deutlich kompetentere und ausführlichere Seiten im Netz, filmz.de oder angelaufen.de etwa. Aber Bernd Eichingers neue Produktion "Zeiten ändern dich" scheint mir so schlecht bewertet zu werden, dass ich diese Superlative gerne hier sammeln würde. Im übrigen will ich den Film trotzdem noch sehen.

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I. Christoph Petersen, der Experte für deutsche Filme bei filmstarts.de und Autor einer der wenige positiven und dabei sehr lesenswerten "Engel mit schmutzigen Flügeln"-Kritiken meint:
"'Zeiten ändern dich' ist als Bushido-Biographie nichts Halbes und nichts Ganzes, sondern einfach lächerlich. Bushidos Schauspielversuche und die nur selten natürlich anmutenden Dialoge ermöglichen keinen Blick in die Seele eines Künstlers, sondern sind allein Nährboden für unfreiwillige Komik. Auf Gutdeutsch: 'Zeiten ändern dich' ist reine Geldschneiderei."
II. Mittwochmorgen streiken weiter die Feuilletons der überregionalen Tageszeitungen, die sich lieber mit echten Hollywoodstars wie George Clooney beschäftigen. Es bleibt einem also gar nicht anderes übrig, als auf die paar Zeilen in der Cinema zu verweisen, die "Die Päpstin" noch deutlich gnädiger 'besprochen' hatte:
"Die filmische Biografie des Deutsch-Rappers Bushido zeigt, wie unsympathische Figuren mit dummen Sprüchen, falschem Stolz und Aggressivität ihre Zeit verplempern. Erschwerend kommt hinzu, dass der Rapper nicht schauspielern kann und seine Musik auch nicht gerade vor Originalität sprüht. Immerhin sieht er gut aus. Das verbindet ihn mit Verona Pooth; aber wer würde einen Film über deren Leben machen - und vor allem sehen wollen?"
III. Rajko Burchardt von den Fünf Filmfreunden versucht sich an einer Hasstirade, die wenig über den Film, aber alles über seinen Standpunkt zu Bushido ausdrückt. Hier eine Ausnahme:
"Er[Bernd Eichinger] hat ein ekelhaftes Drehbuch geschrieben, das sich szenisch im Leben Bushidos vorarbeitet, ohne biographische Zusammenhänge herzustellen, den musikalischen Werdegang schlüssig zu beleuchten oder authentische Situationen zu kreieren. In Dialogen, die bestenfalls zwischen totaler Belanglosigkeit oder einfältigen One-Linern jonglieren, meist aber unangenehm berührend den Slang und Jargon der 'Straße' nachempfinden wollen."
IV. Und das schreibt sich Sebastian Handke im Tagesspiegel von der Seele:
"Das flache Pathos, der gründliche Mangel an Humor, die penible Vermeidung von Ideen: Aus solchem Material Geld zu machen und dabei noch todernst aus der Wäsche zu gucken – Respekt, Alter, das ist auch eine Form von Disziplin."
V. Ein kleiner Wahnsinn für zwischendurch ist dagegen Daniel Kothenschultes angestrengtes Bemühen, dem Projekt doch noch positive Seiten in der Frankfurter Rundschau abzugewinnen:
"'Zeiten ändern dich' ist ein merkwürdiges Seh-Erlebnis. Dies ist nicht die Sorte Film, die Produzenten machen, um den vermeintlichen Marktwert eines Medienstars auch noch im Kino auszuquetschen [...]. Diesen Filmen haftete nichts Persönliches an. Anders bei Bushido: Der Film sieht eher aus, wie ein Amateurfilm aussehen würde, den ein Millionär über sich selber dreht - und alle Rollen außer der eigenen mit Stars besetzt."
VI. Cornelis Hähnel im Schnitt:
"In einem seiner Songs bezeichnet sich Bushido als den unbesiegbaren Endgegner, doch es scheint, als hätte er im Duo Edel-Eichinger seine Endgegner gefunden, denen er hoffnungslos unterlegen ist. Sein komplettes Leben, eingedampft zu einem Klingelton-Drama, bei dem man weder Leidenschaft oder gar ein Brennen für die Musik spürt, geschweige denn ein Lebensgefühl."
VII. Und auch Spiegel Online lässt den Nachwuchs ran. Hannah Pilarczyk denkt:
"Hinzu kommt eine Besetzung, wie man sie eher von Dieter-Wedel-Filmen kennt: Katja Flint und Uwe Ochsenknecht spielen die schnöseligen Eltern [...], in Nebenrollen tauchen Moritz Bleibtreu und Martin Semmelrogge auf. Besonders unglücklich erscheint das Casting von Hannelore Elsner als Bushidos Mutter: Die 67-Jährige übertrifft das Rollenalter mindestens um zwanzig Jahre und kommt wie eine Omi mit Pocahontas-Perücke daher."
VIII. Der immer verlässliche, wenn auch gelegentlich zu ausführliche Rüdiger Suchsland bei Telepolis:
"Laufen wird das Ganze natürlich trotzdem. Es gibt genug Neukölln in Deutschland. Aber das ändert, wie immer, gar nichts. 'Zeiten ändern Dich' ist unfreiwilliger Volltrash. Ein Fall fürs Münchner Werkstattkino, in 20 Jahren."
Und für morgen sind bereits weitere Stellungsnahmen der Game One-Redakteure angekündigt. Nach anfänglicher Zurückhaltung kann sich "Zeiten ändern dich" vor aufgebrachter Presse kaum retten.

Links: - Filmstarts, - Cinema, - Fünf Filmfreunde, - Tagesspiegel, - Frankfurter Rundschau, - Schnitt, - Spiegel Online, - Telepolis

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