Dienstag, 29. Dezember 2009
Deutscher Marktanteil schafft starke 26,3 % - Rückblick auf ein erfolgreiches Kinojahr
Schweigers "Zweiohrküken" knackten letztes Wochenende die drei Millionen Zuschauermarke, "Die Päpstin" lief immer weiter, Rentier "Niko" begeisterte immer noch die Kleinen, während Fatih Akins Crowd Pleaser "Soul Kitchen" wie eine Bombe einschlug. Ja, ich sehe großes Potential, dass diese wunderbare wie auch absolut rauschhafte Liebeserklärung an Hamburg mindestens der dreizehnte deutsche Besuchermillionär wird. Wenn jetzt schon Schluss wäre, dann brächte das Filmjahr 2009 dem deutschen Film den besten Marktanteil seit den späten 1980er-Jahren ein, als "Ödipussi", "Ich und Er", "Man spricht deutsch" und "Anna" die Charts dominierten. Das Grandiose an den Zahlen ist die Breite der Erfolgsfilme, was die verschiedenen Genres betrifft, wie auch, dass sich die Zuschauer nicht auf zwei, drei positive Ausreißer konzentrierten, sondern dass es in jedem Millionen-Segment Vertreter gab.

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Der Kinderfilm "Wickie und die starken Männer" ist ganz klar der germanische Blockbuster des Jahres geworden. Skeptisch beäugt und nach behäbigem Start beinahe schon abgeschrieben gewesen, hat es Bully mit fast fünf Millionen Zuschauern wieder allen gezeigt, dass er scheinbar immer noch weiß, was viele wollen. Die Erfolgsgeschichte um Schweigers Fortsetzung "Zweiohrküken" ist noch nicht zu Ende geschrieben: Ja, das war ein Selbstläufer, aber auch den muss man erst einmal nach Hause bringen. Der Film hat schon knapp drei Millionen Zuschauer eingesammelt und wirkt dabei total frisch und bereit, viele Wochen weiter zu bekehren.



"Die Päpstin" erkämpfte sich ihren Erfolg (2,3 Mio.) gegen feindseliges Medienecho. Die immer emsige Produktionsschmiede Constantin, die seit den 1960er-Jahren die treibende Kraft und der bestimmende Motor hinter der so genannten deutschen Filmindustrie ist, hatte einen unsagbar guten Lauf, der bei Johanna Wokaleks Möchtegern-"Name der Rose" noch größer wird, wenn man durch die Überlänge-Zuschläge auf das reine Boxoffice blickt. Die in Babelsberg gedrehten internationalen Co-Produktionen wie "Inglourious Basterds" (2,1 Mio.) oder "Der Vorleser" (2,2 Mio.), ob sie jetzt zum deutschen Marktanteil dazu gezählt werden oder nicht, waren 2009 eine große Erfolgsgeschichte. Deutsche Schauspieler wurden einer nach neuen Talenten lechzenden Weltöffentlichkeit vorgestellt.

Deutsche lachten 2009 mit am liebsten über deutsche Komödien, glücklicherweise nicht in dem Maße, dass es dem neutralen Betrachter gleich wie in den 1990er-Jahren die Schamesröte ins Gesicht treiben würde: "Männerherzen" (2,1 Mio.) zementierten Til Schweigers Ausnahmestatus und verrieten, dass mit Christian Ulmen, der auch noch "Maria, ihm schmeckt's nicht" (1,3 Mio.) aus dem Hut zauberte, ein potentiell neuer Komödienstar am Filmhorizont aufgetaucht ist, der bereits kommendes Jahr in "Jerry Cotton" komplett abräumen könnte. Der Mario Barth-Klamauk "Männersache" war ein Erfolg (1,8 Mio.), der, gemessen an seiner allumfassenden TV-Popularität, angenehm verhalten ausfiel und trotzdem das deutsche Frühjahr sanierte. Und Hape Kerkelings Kinocomeback "Horst Schlämmer" (1,3 Mio.) kroch geradezu zum Status Kinohit.

Das Rückgrat bildeten aber wie jedes Jahr die erfolgreichen Kinderfilme: Ob die charmante "Hexe Lilli" (1,2 Mio.), die Regisseur Stefan Ruzowitzky so professionell anging, dass er über den deutschsprachigen Raum hinaus bei unseren geschätzten Nachbarn einen beachtenswerten Erfolg fand, der sehr gute "Die wilden Hühner und das Leben" (1,0 Mio.) oder das ebenfalls international ziemlich erfolgreiche Marketingprodukt "Prinzessin Lillifee" - der Laden brummte. Sogar eine Co-Produktion mit Skandinavien, "Niko - Ein Rentier hebt ab" (0,7 Mio.), fand begeisternden Zulauf. Und die Neuauflage von "Vorstadtkrokodile" geriet der Constantin unter der Fuchtel von Christian Ditter, der sich seine Sporen in der ausgezeichneten ARD-Vorabendserie "Türkisch für Anfänger" verdiente, zu einer echten Filmperle und einem würdigen Remake.

Richtige katastrophale Flops gab es wenige, dafür einige bemerkenswerte Enttäuschungen. Die Gebrüder Ochsenknecht und Disney mussten lernen, dass es noch mal etwas völlig anderes ist, außerhalb des wohl behüteten "Wilde Kerle"-Franchise einen Film wie "Gangs" zu machen. Unverdiente und inflationär ausgegebene deutsche Filmpreise schützten nicht am knallharten Boxoffice. Und geholfen haben sie Florian Gallenbergers "John Rabe" schon mal gar nicht, der international zurecht mit der viel besseren chinesischen Produktion "City of Life and Death" mit ähnlicher Thematik, aber einem spannenderen Ansatz abgeglichen und fertiggemacht wurde. Dem wundervollen Knef-Biopic "Hilde" hätte man viel mehr Zuschauer gewünscht, und auch wenn die Berliner Schule mit Maren Ades "Alle Anderen" international endlich durchbrach, so konzentrierte sich das leider hauptsächlich auf die positive Resonanz der Filmkritiker.

Die geglückte Bestseller-Verfilmung "Wüstenblume" überraschte mit internationalem Cast und der späten Entdeckung des weiblichen Zuschauers als Sprungbrett über die wichtige eine Millionmarke. Margarethe von Trottas "Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen" wirkte wie ein exotisches Kinophänomen aus einer anderen Epoche, so gemächlich entwickelte sich das von Teilen der internationalen Kritik gefeierte Werk zum netten Achtungserfolg (0,5 Mio.). Und "Das weiße Band", der Gewinner der Goldene Palme, wurde zu Michael Hanekes erfolgreichstem Film aller Zeiten, was dann aber gerade mal 400.000 Zuschauer bedeutete.

Die Aussichten für 2010 sind vielversprechend. Wenn der deutsche Filmaufschwung anhält - und es gibt genügend Faktoren, die das andeuten wie beispielsweise die Hollywoodkrise, das relativ schwache US-Programm und das Wiederauftreten der Ufa -, dann könnte man sich bald in Marktanteilen bewegen, die die letzte große Zeit des deutschen Films wieder heraufbeschwören, Ende der 1960er und Anfang der 1970er-Jahre, als Lederhosen und Schulmädchenreports die Republik in Atem hielten.

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