Donnerstag, 10. September 2009
Venedig-Ticker: 10. September
Der nächste Tag, 10.54 Uhr - "Soul Kitchen"

Wer hätte das gedacht: Die positivste Kritik zu Fatih Akins "Soul Kitchen" schreibt Derek Elley im Branchenblatt Variety: "Returning to his native Hamburg, Turkish-German filmmaker Fatih Akin rediscovers the verve of his early 'Short Sharp Shock,' tempered by a mature warmth, in 'Soul Kitchen.' Nicely cast ensembler, centered on a hopelessly disorganized eatery owner and peopled by a weird collection of lovable eccentrics, is pacey entertainment that hardly puts a foot wrong. This is not the fest-laureled Akin of weighty fare like 'Head-On' and 'The Edge of Heaven' -- more the one of 'Solino' with a grungy, down-to-earth Hamburg edge."

19.55 Uhr - "Soul Kitchen"
Die angelsächsischen Quellen streiken. Vielleicht sind sie wegen Geldknappheit auch bereits nach Toronto abgezogen ... also die deutsche Presse ... Cristina Nords Text in der taz, der - ja - wie ein Pressetext klingt und sich vollkommen einer Wertung entzieht. Da lob' ich mir die Welt. Die bespricht nicht nur plötzlich im Dunstkreis von "Inglourious Basterds" und im Gedenken an den Kriegsausbruch in Polen locker flockig Nazi-Propagandafilme, sie hat auch ein Händchen für den aktuellen deutschen Film. Das bedeutet, sie ist ihm wohlgesonnen. Einerseits feiert Filmkritiker Peter Zander "Soul Kitchen" als echten, fast zu leichten Genuss, andererseits fragt er aber fürchterlich selbstkritisch, was solch ein Film im Wettbewerb von Venedig zu suchen hat.
--
Halt, zumindest die Briten sind noch da. Lee Marshall von Screen International zuckte ganz kräftig mit den Schultern: "More feelgood than funny, Fatih Akin’s Hamburg-set food n’ soul music comedy is nevertheless a likeable, peppy between-projects divertissement for the German-Turkish director." Und Variety bleibt vorerst ohne Kritik, hat dafür ein paar nette Hintergrundinformationen aus der Pressekonferenz zu bieten.

14.28 Uhr - "Soul Kitchen"
Jetzt habe ich natürlich schon ein bisschen herumgelesen. Und am meisten fasziniert hat mich, nicht dass Hollywoodfilme oder Tarantino ausgeschlagen wurden, sondern dass Akin "Soul Kitchen" als Heimatfilm bezeichnet, ein Genre, das aktuell wieder heiß diskutiert wird und auch immer häufiger ins Kino zurückkommt. Außerdem spannend finde ich Akins Referenzpunkte "Absolute Giganten" und Hark Bohms 1970er-Kinderfilmklassiker "Nordsee ist Mordsee". Es hat einfach etwas frisches, wenn ein Filmemacher nicht Neorealismus, Nouvelle Vague oder gleich langweiligerweise Hollywood, sondern die deutsche Filmgeschichte als Inspiration nennt.

14.11 Uhr - "Soul Kitchen"
Den ersten hektischen Degenstich gegen "Soul Kitchen" führt Guy Lodge von InContention: "Fatih Akin’s candyfloss-light character comedy will come as a major shock to fans of the 36 year-old director’s solemn arthouse works 'Head-On' and 'The Edge of Heaven'." Immerhin ist ihm das noch drei von vier Sternen wert. Und ich würde ihn auch nicht zitieren, wenn er nicht die aller erste Meinung da draußen wäre. Da der Hollywood Reporter nur Amateure vor Ort hat, und Screen International so neutral wie nur möglich schreibt, warte ich hauptsächlich auf Variety, vielleicht die New York Times, um dann am Abend die deutschen Reaktionen eintrudeln zu sehen.

Vorschau - "Soul Kitchen"

Der Donnerstag wird ganz im Zeichen des einzigen deutschen Autorenfilmers von internationalem Rang stehen. Fatih Akin und seine Filme sind Rock 'n' Roll. Ich liebe "Kurz und schmerzlos" und "Gegen die Wand" sehr. Aber er ist eben auch ein Regisseur, der sich inszenieren kann, dem man gerne zuhört, weil er was zu erzählen hat, und das vor allem auf charmante Weise vermitteln kann. Filmfestivals, von der Berlinale bis zu Venedig, er hat sie alle gehabt. Und wäre sein letzter Film "Auf der anderen Seite" nur ein Jahr später eingereicht worden, wäre er inzwischen sogar oscarnominiert. Sein neuer Film heißt "Soul Kitchen", in dem viele alte Weggefährten Akins mitspielen sollen. Mehr weiß ich nicht, mehr will ich momentan noch nicht wissen. Ich will mich überraschen lassen, was da morgen kommen mag.

... comment