Dienstag, 10. Februar 2009
Und der Goldene Bär geht an …
Keine Ahnung! Aber in der Hauptstadt rumort es. Und im Fokus steht ein deutscher Film. Überraschenderweise ist es nicht Hans-Christian Schmids ("23", "Requiem") international produzierter, relativ verhalten besprochener Kriegsverbrechertribunal-Film "Sturm", sondern der zweite deutsche Beitrag im offiziellen Wettbewerb. Maren Ades ("Der Wald vor lauter Bäumen") Beziehungsfilm "Alle Anderen" hatte gestern Nachmittag Premiere gefeiert und wurde über Nacht der erste ernsthafte Anwärter auf den Goldenen Bären.

Deutschlandstart: 18. Juni

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Die amerikanischen Fachblätter waren wie immer die schnellsten. Und wäre man ausschließlich nach Variety gegangen, hätte man "Alle Anderen" gleich beerdigen können:

"Watching 'Everyone Else' is akin to spending a vacation with people you know you won’t like from the first day. Two-hour ramble through the self-absorbed emotions of a young couple — and their equally self-absorbed friends — chilling out in Sardinia promises in the opening scenes to be a subtle, low-key comedy of awkward relationships. But by the second reel it becomes clear that writer-director Maren Ade’s sophomore feature (following her promising debut, 'The Forest for the Trees') is simply fuzzy filmmaking of the worst sort. An extraordinary choice for a competition slot at Berlin, pic is headed nowhere." (Derek Elley, Variety)

Es gab im Vorfeld Diskussionen, warum teure deutsche Produktionen wie "John Rabe", "Effi Briest" oder "Hilde" außerhalb des Wettbewerbs laufen, warum Festivalchef Dieter Kosslick den zweiten deutschen Slot an eine solche Low-Budget-Produktion vergab. Jetzt erfolgte die Antwort, die sich in der euphorischen Kritik des Hollywood Reporter entlud:

"Everything in this film seems new, yet at the same time, completely recognizable and completely right. During the first hour, Gitti and Chris play creatively, make love, have quarrels, and make love some more. Gitti, at least at first, seems the more insecure of the two, and is bothered that Chris never says 'I love you' when they're having sex. The intensity of observation reminds one of Bergman's 'Scenes From a Marriage,' though of course played in a much more benign key. For the patient, the deliberate pacing is perfect, as each additional layer is quietly and subtly put in place." (Peter Brunette, Hollywood Reporter)

Und das deutsche Feuilleton folgte. Allen voran der frankophile Michael Althen, der immer schon mehr für Sautet und Antonioni schwärmte als für irgendetwas anderes in der Welt:

"Ein junges Paar auf Sardinien. Mehr nicht. Später kommt noch ein weiteres Paar dazu und bringt durch seine schiere Präsenz einiges durcheinander, aber die meiste Zeit verbringt man mit Gitti und Chris, also mit Birgit Minichmayr und Lars Eidinger, und sieht ihnen dabei zu, wie das so geht in der Liebe, das Auf und Nieder, das Hin und Her, das Sehnen und Zweifeln, das Gelingen und das Verpassen. Früher haben sich das nur die Franzosen getraut, sich einen Film lang nichts anderem zu überlassen, weil das Welt genug ist." (Michael Althen, FAZ)

"Alle Anderen" hatte jetzt Fürsprecher, genauso wie erbitterter Kritiker. Die Waage stand im Gleichgewicht. Jan Schulz-Ojala blieb es vorbehalten, den entscheidenden Superlativ aufzuschreiben:

"Mitten aber in all den Finten, Lügen und Heucheleien, dem Selbsthass und Selbstbetrug und Verstummen sagt Gitti, manchmal wolle sie für Chris eine ganz andere sein. So wie die Frauen, die vielleicht viel besser zu ihm passen. Und benennt damit beiläufig das traurige Paradox der Liebe: Dass man den Partner nie in seiner Gänze kennenlernt, weil man selber unrettbar so ist, wie man ist. Und auf einmal ist kein tobendes Schweigen mehr in diesem Berlinale-Auditorium, das vielleicht gerade den besten Film des Festivals miterlebt. Nur Stille." (Jan Schulz-Ojala, Tagesspiegel)

Meistens werden die Filme, die im Vorfeld für den Goldenen Bären gehandelt werden, selten bis gar nicht ausgezeichnet. Die Euphorie einzelner bedeutender Filmkritiker spricht zumindest für Auszeichnungen der Regisseurin oder der Darsteller. Wenn im besten Fall der Hauptpreis rausspringen würde, wäre das eine umso schönere Überraschung. Bisher wurden alle Wettbewerbsbeiträge, besonders von der angelsächsischen Fachpresse, recht launig besprochen, und auch das deutschsprachige Feuilleton meckerte ausdauernd. Am kommenden Sonntag weiß man genaueres.

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