Mittwoch, 4. Februar 2009
Schwarz-Rot-Geil: Wie erfolgreich ist der deutsche Film wirklich?
Die Filmförderungsanstalt FFA hat offizielle Zahlen zum Kinojahr 2008 veröffentlicht. Demnach liegt der deutsche Marktanteil bei starken 26,6 Prozent und wäre somit der höchste Wert seit 1991. Insgesamt elf deutsche Produktionen erreichten mehr als eine Million Besucher, auch dies eine neue Rekordmarke seit der Wiedervereinigung. Dazu die vielen Oscarnominierungen und -siege für deutsche Produktionen in den letzten Jahren ("Die Fälscher", "Das Leben der Anderen", "Sophie Scholl", "Der Untergang", "Nirgendwo in Afrika"). Es stellt sich also einmal wieder angesichts der morgen startenden Berlinale die Frage, wie erfolgreich der deutsche Film wirklich ist.

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Hier die elf deutschen Besucher-Millionäre, inklusive der Anmerkung, dass die FFA auch gleich noch fünf Millionen Besucher des 2007-Hits "Keinohrhasen" in die rekordebrechende Rechnung mit einbezog:

1. Unsere Erde ~ 3,8 Mio.
2. Die Welle ~ 2,6 Mio.
3. Der Baader Meinhof Komplex ~ 2,4 Mio.
4. DWK 5 ~ 1,7 Mio.
5. 1 ½ Ritter ~ 1,7 Mio.
6. Asterix bei den Olympischen Spielen ~ 1,6 Mio.
7. Krabat ~ 1,4 Mio.
8. Tintenherz ~ 1,2 Mio.
9. Kirschblüten ~ 1,1 Mio.
10. Freche Mädchen ~ 1,0 Mio.
11. Sommer ~ 1,0 Mio.

Ohne jegliche Häme: Ja, deutsche Filme waren 2008 recht erfolgreich, besonders vor der Fußballeuropameisterschaft: Und dabei nicht nur wenige Großproduktionen à la Bernd Eichinger oder Komödienausreißer von Bully resp. Otto, sondern in einer selten gesehenen Breite. Vom Dokumentarfilm, über das Schulfernsehen, Kinderfilme, Literaturverfilmungen, die internationale Co-Produktion bis zum Festivalhit war alles vertreten.

Sieht man aber genauer hin, entpuppt sich die Nummer eins, das Dokuwunder "Unsere Erde", als durch und durch britische Produktion, bei der deutsche Geldgeber mitfinanziert haben. Ähnliches gilt für den eigentlich französischen Film "Asterix bei den Olympischen Spielen". "Die Welle" dagegen war ein genuin deutscher Überraschungserfolg: Idee aus dem Ausland gemopst und perfekt vermarktet, so macht das sonst nur Hollywood. Wen stört es dabei, dass der Film recht bescheiden ausgefallen ist. Dann folgen die Erkenntnisse, dass sich trotz gigantischem Werbeaufwand und Medienpräsenz die Baader Meinhof-Bande doch nicht so gut wie Hitler verkäuft und Til Schweiger mit "Keinohrhasen" verdammt viel Glück und ein gutes Drehbuch hatte.

Den Rest der Top-11 stellt das Genre, was die letzten Jahre als einzige erfolgreiche Konstante im deutschen Filmgeschäft gelten darf: Der Kinderfilm. Ob "Die wilden Kerle" oder "Die wilden Hühner", ob "Freche Mädchen" oder "Sommer", sie alle haben eine treue, relativ große Fanbase und - wie ein Kinderfilm-Produzent vor einiger Zeit im Bayerischen Filmmagazin 'Kino Kino' treffend feststellte - die soziale Entwicklung auf ihrer Seite: Es gibt immer mehr geschiedene Ehen und immer mehr überforderte Väter und Mütter, die am Wochenende für zwei Stunden Entspannung die dunklen Kinosäle der Multiplexe aufsuchen. Und 2008 gab es wirklich erstaunlich viele halbwegs erfolgreiche Kinderfilme: "Die rote Zora" (0,79 Mio.), "Der Mondbär" (0,68 Mio.), "Kleiner Dodo" (0,55 Mio.) und "Urmel voll in Fahrt" (0,41 Mio.).

Aber sind das nun wirklich Filme, die Filmfans und Cineasten als Lieblingsfilme bezeichnen? Hat sich ernsthaft etwas an den Sehgewohnheiten des deutschen Kinozuschauers geändert? Sagt er nicht mehr "Igitt, ein deutscher Film!", sondern freut sich richtig gehend darauf, wie spezielle Filmpartnerschaften zwischen deutschen Filmen und Multiplexkinos suggerieren könnten? Und hat der Erfolg von deutschen Produktionen beim Auslandsoscar nicht viel mehr mit einer finanzstarken Oscarkampagne plus dem Dauerbrennerthema 'Nazizeit' zu tun, als dass plötzlich eine Generation Neuer Deutscher Film aus dem Boden geschossen wäre? Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Fatih Akins "Auf der anderen Seite" lief 2007 im Cannes-Wettbewerb, wurde ausgezeichnet und von Deutschland für den Oscar eingereicht. Ironischerweise landete der Film aber erst jetzt auf vielen Listen amerikanischer Kritiker. Oder "Der Baader Meinhof Komplex": Im eigenen Land angefeindet und verlacht worden, wurde der Film dafür vom britischen Filmmagazin 'Empire' auf Platz zwei seiner Bestenliste gewählt.

Flops gab es natürlich auch. Heinrich Breloers "Buddenbrooks" wollten nicht einmal eine Million Besucher sehen, mittelteure Produktionen wie "Nordwand" (0,44 Mio.) blieben hinter den Erwartungen zurück, "Der rote Baron" mit Matthias Schweighöfer legte glanzvoll eine Bruchlandung hin, genauso wie Atze Schröder mit seiner "U-900" lautlos absank. Der neue Caroline Link-Film "Im Winter ein Jahr" begeisterte einige Kritiker, wurde vom Zuschauer aber links liegen gelassen wie auch "Anonyma", "Fleisch ist mein Gemüse", "Chiko", "Falco" oder "Hardcover". Dabei klangen gerade einige dieser deutschen Filme am reizvollsten. Überhaupt fanden selten die Zuschauer und die Kritiker zusammen, vielleicht nur beim Berlinale-Hit "Kirschblüten" und bei Andreas Dresens "Wolke 9".

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