Donnerstag, 28. November 2013
Der mit dem Costner tanzt
Und die Friedenspfeife baumelt über'm Videogerät ...
Warum Eigenlob stinkt und die Recherche beim neuen Quentin Tarantino-Film nicht schon beim Genre enden sollte.

Während sich vor ein paar Wochen andere Blogs ausschließlich an der vermeintlich mauen Qualität von Quentin Tarantinos mainstreamiger Top Ten-Liste 2013 abgearbeitet hatten, war Movies & Sports eine der wenigen Filmseiten, die die tatsächliche Brisanz dahinter erkannte. Der Mann, der sich diese Filmtitel mehr aus Verlegenheit denn aus Überzeugung gegenüber der französischen Filmzeitschrift Les inRocKuptibles aus den Rippen drückte, hatte augenscheinlich nicht wirklich Zeit für den aktuellen Kinojahrgang gehabt. Er war in den letzten Monaten mit seinen Gedanken bereits bei seinem nächsten Filmprojekt, das sämtliche Ressourcen in Anspruch nahm. Seit letzter Nacht ist nun - dank Quentins Auftritt in der Tonight Show von Jay Leno - bekannt, dass der neue Film wieder im Western-Genre angesiedelt sein wird. Und damit endete ebenso die Berichterstattung der meisten Blogs. Dabei hätte man mit ein bisschen Sachverstand und QT-Aficionado-Wissen schnell auf das wahrscheinliche Thema des Westerns kommen können.

Im August unterhielt ich mich per Twitter anlässlich eines Interviews, das Tarantino der Jewish Journal-Bloggerin Danielle Berrin zur Buchveröffentlichung „The Collaboration“ gab, mit Jenny vom Blog The Gaffer. Ein bisschen gepflegter Small Talk: Wir spielten die bekannten Möglichkeiten durch, was denn Tarantinos nächster Film werden könnte. Sie war vor allem von dem Interview ziemlich angestachelt: „Ich möchte so gerne, dass sich Tarantinos nächster Film mit der Studio-Ära befasst.“ Dazu passte aber weder das verheißungsvolle Sexploitation-Projekt „Cowgirls in Sweden“ noch die „Inglourious Basterds“-Fortsetzung um eine schwarze Militäreinheit hinter feindlichen Linien. Es hätte in diesem Fall also am ehesten auf den Pretty Boy Floyd-Gangsterfilm hinauslaufen müssen, der sich dann intensiv mit den Machenschaften des Warner Brothers-Studios auseinandergesetzt hätte. Ziemlich klar war mir zum Zeitpunkt dieser wilden Spekulation nur, dass Tarantino mit seinem nächsten Film die Abrundung seiner History-Trilogie forcieren würde. Nachdem sich „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“ unter anderem als fiktive Rachefantasien für jüdische und afroamerikanische Menschen lesen ließen, lag es auf der Hand, dass als nächstes und letztes die amerikanischen Ureinwohner in den Mittelpunkt rücken müssten.
Der King of Rock 'n' Roll als Inspiration
„Amerika ist für zwei Holocausts in seinem Land verantwortlich: für die Ausrottung der indianischen Ureinwohner und für die Versklavung von unzähligen Afrikanern, Jamaikanern und Westindern in der Zeit des Sklavenhandels“, sagte Tarantino auf der Pressekonferenz zur Deutschlandpremiere von „Django Unchained“ diesen Januar. Die hier angesprochenen Native Americans tauchten aber bislang noch in keinem Tarantino-Film auf. Dabei gärt die Idee dazu schon sehr lang in den Gehirnwindungen des Regisseurs. Laut eigener Aussage ist Quentin Tarantino zu einem Viertel Cherokee. Er wurde von seiner Mutter nach einer Burt-Reynolds-TV-Figur benannt, die indigene Wurzeln besitzt. Als der kleine Quentin im Fernsehen Western mit seiner Ma schaute, fragte er, ob denn seine Familie damals auch bei den Indianern mitgekämpft hätte, was sie bejahte. Als Tarantino Elvis Presley so verehrte, dass er ihn in „True Romance“ zu dem einzigen Mann auserkor, mit dem er im Zweifelsfall einmal Sex haben würde, hatte das auch zumindest ein bisschen mit Presleys eigenen indigenen Wurzeln zu tun. Und einer von Tarantinos zahlreichen Lieblingswestern ist Don Siegels „Flaming Star“, ein melodramatisches Meisterwerk, in dem Presley ein Halbblut spielt, das sich zwischen der eigenen Familie und dem Indianerstamm entscheiden muss.

Mein Gefühl sagt mir, dass der Mann, der nicht an Gott glaubt, aber den indianischen Glauben im 1970er-Selbstjustiz-Thriller „Billy Jack“ für plausibel hält und der „Little Big Man“ verehrt sowie Sam Fuller pusht, wo er nur kann, weil er unter anderem mit „Run of the Arrow“ eine der würdigsten Darstellungen von amerikanischen Ureinwohnern in den 1960er-Jahren hinlegte, seinen nächsten Western genau davon handeln lassen wird. Darum faszinieren Tarantino auch die deutschen Winnetou-Filme. Und es wäre fast noch interessanter zu erfahren, was er von den populären DDR-Indianer-Western wie „Die Söhne der großen Bärin“ und „Chingachgook, die große Schlange“ halten würde. Einer von Tarantinos allerliebsten Western ist „Navajo Joe“ von Sergio Corbucci, der bis heute in der Filmgeschichte nicht den ihm eigentlich angestammten Platz zugewiesen bekommen hat. Burt Reynolds als Indianer auf großer, befriedigender Rachetour lieferte zum Beispiel auch das musikalische Thema der Bride in „Kill Bill“. In den letzten Jahren entflammte Tarantinos Leidenschaft für den Italowestern-Regisseur Corbucci noch mal besonders. So sehr nämlich, dass er den zweiten Sergio mittlerweile in einem Atemzug mit Sergio Leone nennt. Er wollte sogar eine Monographie über Corbucci schreiben. Geworden ist es dann nur ein kleiner, aber feiner Essay im Fangoria-Heft, der den Titel „Sergio Corbucci: 60s Cinema's Brutal Provocateur“ trug. Tarantinos Kernthese lautet, Corbucci benutze seine Western vor allem, um vom innewohnenden Bösen des Faschismus zu erzählen. Tarantino wird in diesem Sinne seinen zweiten Western wahrscheinlich ähnlich verwenden, sich treu bleiben und von der von ihm so empfundenen verdrängten amerikanischen Geschichte fabulieren.
The Postman Always Rings Twice
Eine Darsteller-Spekulation kann ich zum Abschluss auch noch anbieten: Es ist immer die Frage, wen Tarantino zurückholt und wen er neu entdeckt. Ich glaube tatsächlich an Kevin Costner, der in „Django Unchained“ bereits den Mandingo-Trainer Ace Woody spielen sollte, aber wegen Terminengpässen absagen musste. Ganz ähnlich lief es 1994 mit der ausgebooteten Pam Grier in „Pulp Fiction“, die sich ein paar Jahre später als Hauptdarstellerin in „Jackie Brown“ wiederfand. Für solche Casting-Fälle hat Tarantino, der Costners Karriere seit den 1980er-Jahren genauestens verfolgt, ein sehr gutes Gedächtnis. Gerade die wunderbaren ersten Filme Costners bis in die frühen 1990er-Jahre wie „Fandango“, „Bull Durham“ oder „Revenge“ betet Tarantino förmlich an. Und als er letztes Jahr für „Django Unchained“ auf Werbetour durch die Late-Night-Talkshows tingelte, lobte er ausdrücklich Costners Leistung im Western-TV-Mehrteiler „Hatfields & McCoys“. Einen Film wie „Der mit dem Wolf tanzt“ indes wird Tarantino nicht im Kopf haben, wenn er an Costner denkt. Kürzlich schwärmte er noch von so genannten US Adult Western Paperbacks, die etwa Autoren wie Ralph Hayes und Donald Goines geschrieben haben und in ihrer Grausamkeit selbst Gore-Experten wie Lucio Fulci oder Umberto Lenzi das Fürchten lehren würden. Mit einem Edel-Winnetou ist also nicht zu rechnen, was dann auch die allerletzten Hoffnungen im Produzentenkreis des geplanten deutschen Remakes zerschlagen dürfte.

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