Montag, 25. Februar 2013
Oscarmüde 2013
Sich heutzutage die Oscar-Veranstaltung anzusehen, hat etwas von einer eigentümlichen Selbstkasteiung, die ich noch vornehmlich aus reiner Nostalgie betreibe. Aus einem längst vergessenen Gefühl der Naivität und Unwissenheit heraus, das man jetzt einfach nicht mehr nachspielen kann. Dazu weiß man zu viel. Oder wie es das Gafferlein ausdrückte: "Nie wieder Oscars! Bis nächstes Jahr!" Das Enigmatische ist weg. Monate vorher kann man in speziell davon lebenden Blogs lesen, wer die heißesten Favoriten sind. So revolutionär und toll man die Entdeckung der Oscar-Blogs damals fand, so viel Spannung und Überraschungsmoment haben sie aus der Verleihung genommen. Man selbst ist soweit in die Materie eingetaucht, dass im September klar ist, wenn ein Projekt wie "Argo" mit brav ausgefüllter Oscar-Checkliste in Telluride gestartet wird, wohin Ende Februar die Reise geht. Aber das ist heute ein weiteres Problem: Ich sehe gar nicht mehr die Filme, um mich darüber aufzuregen. Ich könnte nicht einmal sagen, dass der "Argo"-Sieg unverdient war, weil ich mir nicht mehr die Mühe gemacht habe. Die Ausdehnung auf zehn Nominierungen als bester Film ist eine Farce, aber da wiederhole ich mich.

Kurz bevor ich den Fernseher ausgemacht habe, nachdem ich noch mal für Tarantinos Preis hochgeschreckt bin, wurde der von mir sehr geschätzte Film "Moonrise Kingdom" genannt. Das war der kleine Moment des Mitfühlens und Interessiertseins von früher, als es mir nicht egal war, wer in welcher Kategorie gewinnt. Als man Roger Ebert hasste, weil er "Crash" gegenüber "Brokeback Mountain" pushte und als ein gewisser Russell Crowe als "Gladiator" auf dem Weg zum Podium dahinschmolz. Aber das scheint ewig her zu sein. Also klammert man sich an die Bewertung des Gastgebers des Abends, an Seth MacFarlane, der seine Sache akzeptabel machte. Seit dem Pärchen James Franco und Anne Hathaway haben sowieso alle Hosts einen Freifahrtschein, weil niemand mehr so schlecht sein wird. Der sofort nach der Verleihung aufgezeichnete Slashfilmcast bezeichnete diesen Job treffenderweise im "Big Bang Theory"-Mode als Kobayashi Maru-Test der Unterhaltungsindustrie. Man kann eigentlich nur verlieren. Die Frage lautet, wie man dabei performt. Ein bisschen sehr weinerlich und ein Zeitphänomen, die Kritik der eigenen Leistung durch die Parodie der selbigen vorwegzunehmen und damit abzufedern. Aber das kann man so machen: Zum Beispiel Mr. Skin spielen und den Hauptdarstellerinnen "We Saw Your Boobs" trällern, William Shatner auf dem Intercom haben, zeigen, dass man singen kann, auch wenn man es nicht live macht. Oder die schlechteren Gags einfach wegklatschen. Oder noch besser: von Channing Tatum und Charlize Theron wegtanzen lassen.

Das Geheimrezept der Oscars für den Rest der Welt lautet sowieso die totale Übermüdung. Denn wenn man sich die Show am nächsten Tag aufgezeichnet anschaut und die Werbung vorspult, was ich ein einziges Mal getan habe, ist das eine ganz schrecklich langweilige Veranstaltung. Erst durch den Schlafentzug und dieses zwei-Stunden-Vakuum, indem kein wichtiger Preis vergeben und ständig gewartet wird, erhält das Ganze seinen Zauber. Und durch die so genannten Oscar-Momente, die ich in diesem Jahr vergeblich gesucht habe. Christoph Waltz' Preis hätte es nicht gebraucht, sowohl Samuel L. Jackson als auch Leo Di Caprio wären würdigere Kandidaten gewesen. Shirley Basseys Stimme ist alt geworden, und Adele hatte das Pech, den Titelsong zu einem schwachen Bond singen zu dürfen. Und ob man jetzt Khediras Freundin neben Annemarie Warnkross und Steven Gätjen stehen hat oder - wie von der Süddeutschen vorgeschlagen - Katrin Bauerfeind - es macht keinen Unterschied. Denn die deutsche Preshow schaut sich doch niemand ernsthaft an. Und auch Twitter ist ziemlich anstrengend geworden. Die bloße Anzahl an amerikanischen Möchtegern-Stand-Up-Comedians ist erdrückend. Und ich klinge immer mehr wie ein knöchriger Dinosaurier, der auf der falschen Party war. Vielleicht lese ich das nächste Mal einfach weniger im Vorfeld und schaue mehr die Filme! Nur weil viel getanzt und gesungen wurde, heißt das nicht automatisch, dass es eine klassische und gute Show war. Und nur weil einer der Produzenten der Mann hinter "Chicago" war, brauchte es nicht unzählige Verweise auf eben jenen egalen Best Picture-Gewinner. Ein kleiner Lichtblick, gerade während des Wartens, war der Audioflick-Live-Podcast der GameOne-Truppe, auch wenn dort kurzzeitig die Lichter ausgingen.

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Die Zeit ist es...
Das erste Mal wieder die ganze Show geguckt und im Gegensatz zu dem einschlägigen negativen Ton auf FAZ, SZ, Spiegel und dir (*g*) fand ich's sehr unterhaltsam. Ich bin aber auch wahrscheinlich eher ein Teil der Zielgruppe als ein Cineast. Hollywood macht einfach Entertainment, 1000 mal besser als eine Filmpreisverleihung hierzulande (da würde ich mir lieber sowas angucken wie "Gebäude, die einstürzen").
Hab jedenfalls durch die Oscars Lust bekommen, die anderen Filme nachzuholen (kenne ja nur Django).
Greetzies...

PS: Die SZ hat auch Joko und Klaas vorgeschlagen, das sagt doch schon alles...

PPS: Die hard sucks =))

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Ach, du bist nicht der einzige, der begeistert war. Ich habe schon gelesen, dass das die größte Schwulenparty des Jahres und damit die beste Show seit Ewigkeiten gewesen sei. Ist immer eine Frage des Blickwinkels. Mir gibt das aktuell wenig. Aber du machst das richtige, nämlich dir die Filme anzusehen. "Silver Linings Playbook" und "Argo" hatte ich sogar ursprünglich vor zu schauen. Und selbst "Lincoln" war auf der Agenda. Dafür habe ich halt "Django Unchained" gleich drei Mal genossen, das gleich es wieder etwas aus. Ich wünsch dir mehr Erfolg als mir mit den Kandidaten!

Zum PPS: Really? ;) Apropos: Habe durch die Empire Bock auf "The Wolverine" bekommen, weil ich erfahren habe, dass der von James Mangold ist und dieser sich an Vorbildern wie "Der Mann, der niemals aufgibt" vergehen will. Klingt schmackhaft!

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