Samstag, 3. September 2011
Fantasy Filmfest-Nachklapp
"Attack the Block" (Joe Cornish) ★★★

Der Brite Edgar Wright hat aktuell die Scheiße am Schuh. Egal ob der ehemals umfeierte und immer noch von den Geeks dieser Welt hofierte Regisseur von "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" im Moment etwa als Regisseur, Produzent oder auch nur Buddy auftritt: seine Beteiligungen bringen Pech. Zu dem gigantischen Flop "Grindhouse" steuerte er in freundschaftlicher Verbundenheit mit Tarantino den Fake-Trailer "Don't" bei. Sein eigenes ambitioniertes Hollywoodprojekt "Scott Pilgrim vs. the World" scheiterte sowohl künstlerisch als auch kommerziell. Und auch bei seinem neuesten Film, "Attack the Block", welchen er als ausführender Produzent betreute, ließen ihn die Zuschauer im Stich. Ob dieses Pech auch auf Spielbergs angedachten Welt-Blockbuster "Tim & Struppi" übergehen wird, muss sich zeigen. Jedenfalls schrieben dort jener Wright gemeinsam mit dem "Attack the Block"-Regisseur Joe Cornish das Drehbuch. Wie die beiden den Job bekamen, für Spielberg und Jackson einen der berühmtesten europäischen Comichelden für das Kinojahr 2011 aufzupolieren? Es könnte unter anderem mit "Attack the Block" zu tun haben, diesem Alieninvasions-Film im Ghetto. Man könnte auch Ghetto-Goonies kalauern und dem Ganzen irgendwie gerecht werden. Denn "Attack the Block" ist weit davon entfernt, ein großer Wurf zu sein. Er macht ganz gut Spaß, hauptsächlich dadurch, dass er kleine "böse" Gangster gute Sachen tun lässt. In Süd-London stürzen also Aliens ab. Bevor sie aber ihre Raserei beginnen können, werden sie schon kalt gestellt. Sie haben sich nämlich die falsche Gegend ausgesucht. Das ist dann weder spannend, noch gruselig, da man die Monster von Anfang an im vollen Umfang zu sehen bekommt. Der Zuschauer weiß, wie einfach sie doch zu töten sind. Und zu allem Überfluss sehen die knuddeligen Monster aus dem Weltraum mit ihren phosphorisierenden Gebissen auch noch so aus, als wären sie aus dem Stickeralbum der kleinen Schwester entwischt. Kindergarten, wenn man sie mit den deutlich knuddeligeren 1980er-Jahre-Kultmonstern wie den Critters, den Gremlins oder gleich den Ewoks vergleicht, die dagegen aber auch wussten, echten Terror zu verbreiten. Die junge Gang rettet den Tag und den Film. Wer Spaß daran hat, kann auch noch die London-Riots aus der Realität in den filmischen Wohnblöcken ausmachen. Aber es ist vor allem John Boyega, der charismatische und schweigsame Anführer der Gruppe, der den Film auf seinen Schultern trägt und wohl bald ein ganz Großer wird. Er spielt nämlich wie ein junger Denzel Washington. Aus "Attack the Block" wiederum wird nur recht brauchbare Filmware für einen Videoabend.

"Shaolin" (Benny Chan) ★½

Martial Arts-Kino zum Abgewöhnen. Ja, Hongkong-Bombast ohne Herz, aber hauptsächlich für die Seele des chinesischen Staates. Immer noch die rassistische Attitüde gegen die bösen Ausländer, die das Land der Mitte korrumpieren wollen. Damals, in den Shaw Brothers-Filmen der 1970er-Jahre, sah man darüber gerne hinweg, wenn Gordon Liu und Wang Yu nur ordentlich die Knochen knacken ließen. In "Shaolin" schreit einen der Ausländerhass aber wegen der dünnen Geschichte und den papierenen Figuren geradezu an. Feinste Genreperlen wie "Detective Dee and the Mystery of the Phantom Flame", "Reign of Assassins" oder "Wu Xia" hatten wieder Heißhunger auf stilsichere Kampfkunst aus Fernost gemacht. "Shaolin" spuckt dem Ganzen in die fein gewürzte Suppe. Dabei gab es keinen echten Buzz um den Film. Einzig der Trailer sprach mich an. Und er war eben Teil des Fantasy Filmfests. Warum frage ich mich jetzt? Vielleicht reichen manchem die Statistenheere, die Explosionen oder dass Jackie Chan in einer selten dämlichen Rolle als clownesker Gemüsekoch zu sehen ist. Was für einen ruhmreichen Auftritt bekam Jimmy Wang Yu dieses Jahr in "Wu Xia" spendiert. Wie peinlich nimmt sich dagegen das Herumgeblödel von Jackie hier aus. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Chan dem Regisseur noch einen Gefallen schuldig gewesen sein muss. Es geht um einen grausamen Herrscher (Andy Lau), der Opfer einer Intrige seiner rechten Hand (eine Entdeckung: Nicholas Tse) wird, wobei er der Familie und der Macht beraubt wird. Zur Läuterung geht er ins Kloster, lässt sich Kung Fu beibringen und kämpft an der Seite der Mönche gegen seine alten Lakaien, die mittlerweile Geschäfte mit den fiesen Ausländern machen. Um die Subtilität der Geschichte zu unterstreichen, sei nur einmal kurz der Hinterhalt geschildert, in den Andy Lau mit seiner Familie gerät: Dort jagen ihn nämlich unzählige äxteschwingende Wahnsinnige auf Kutschen durch das Restaurant über die Steppe, bis er sich an einem Berganhang verstecken kann. Man fragt sich nur anfangs, warum Lau bei einem Treffen, wo er selbst plante, seinen Konkurrenten zu ermorden, im Vorfeld nicht bessere Schutzmaßnahmen getroffen hat. Solch offensichtliche Aggressoren hätten für den mächtigsten Mann der Region eigentlich kein Problem darstellen dürfen. Vor allem die Figuren sind schrecklich eindimensional gezeichnet. Entfernt erinnern sie an die Takashi Miike-Schule im überschätzten Genrewerk "Thirteen Assassins". Die Protagonisten bleiben auf Distanz, weil sie nicht mehr als austauschbare Klischees sind, die einer plumpen Botschaft zu dienen haben. Hail to China. Die Action ist so blutleer wie unspektakulär. Die Überlänge tut ihr übriges. "Shaolin" ist ein seelenloses Kitschprodukt vom Fließband. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

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