Montag, 9. März 2009
Revenge of the Movie Geeks - Der Slashfilmcast


(Geschrieben am 07.07.2008) ... [Link]

Anderthalb bis zwei Stunden Hardcoretalk über hyperaktuelle Filme und Serien made in Hollywood. Keine Werbeunterbrechungen oder Einspieler, einzig und allein die Macht des Wortes. Für Movie Geeks ein Schlaraffenland – inklusive des Überfressens. Ein fettiges, heißes Gratis-All-You-Can-Eat-Fast-Food-Menü. Wer satt ist, darf auf die Rutsche, spult vor oder schaltet ab. Der Unterhaltungsfaktor und die Dauer des Slashfilmcast sind im Internet konkurrenzlos. Wenn man ein bisschen an der Speisekarte drehen dürfte, müssten natürlich mehr elementare sowie exotischere Speisen drauf.

Seit Anfang diesen Jahres produzierten die drei leidenschaftlichen Hobby-Filmkritiker David Chen, Devindra Hardawar und Adam Quigley den Podcast 'The Watchers' für AlwaysWatching.org. Chen und Hardawar sind Mitte zwanzig, kennen sich seit dem College. Den 19-jährigen Quigley sammelten sie bei JoBlo’s Movie Club ein, wo er hauptsächlich Disney-Kinderfilme besprechen durfte. Schnell wuchs den dreien eine kleine Fangemeinde heran. Und letzten Monat entschloss sich, der semipopuläre Filmblog Slashfilm die Jungs zu schlucken. Jetzt heißen sie ganz offiziell 'Slashfilmcast' und sind gleichzeitig auch ein bisschen die Stimme einer ganzen Generation von Bloggern, die es einfach lieben, unerschöpflich über Filme und Serien zu quatschen.

"Sie sind schlecht bei guten und richtig gut bei schlechten Filmen."

Am liebsten und ausführlichsten sprechen die drei Geeks über Comics und Superhelden, amerikanisches Fernsehen und besonders schlechte Hollywoodfilme. Sie können sich ewig darüber aufregen, dass Regisseur Bryan Singer in „Superman Returns“ einen ihrer Helden zum intergalaktischen Gewichtheber verkommen lassen hat. Sie schauen wirklich Unmengen TV, von den neuesten Serien, über Late Night bis zu Reality Shows. Sie sind in Höchstform, wenn sie die moralische Zwickmühle von "The Moment of Truth" analysieren, die der am Lügendetektor angeschlossene Fitnesstrainer hat, als er verraten muss, ob er Kundinnen schon mal absichtlich zärtlich angefasst hat. Sie zelebrieren ewig "Lost", "Battlestar Galactica", "The Office", "South Park" und "30 Rock" und sind am allerbesten, wenn sie über misslungene Hollywoodproduktionen herziehen können, wie z. B. "The Happening", "X-Men 3" oder "Spider-Man 3". Das "The Wicker Man"-Remake mit Nicholas Cage huldigen sie wie einen geheimen Kult, indem sie sich gelegentlich die Highlights noch mal auf YouTube anschauen: wie der Hollywoodstar im Bärenkostüm kleinen Mädchen Angst einjagt, Frauen ins Gesicht schlägt und letztlich droht, von Bienen verspeist zu werden.

"I have taken craps that are harder than the Beverly Hills Cop franchise."

Der jeden Dienstag aufgezeichnete Podcast ist thematisch dreigeteilt: Zuerst haken sie zuletzt gesehene Filme und Serien ab, gehen dann die News der Woche durch, um abschließend eine aktuelle Kino- oder DVD-Veröffentlichung detailliert zu besprechen. David Chen leitet die Diskussionen, moderiert an und ab, ruft die Teilnehmer auf und setzt die Themen. Er ist die kritische Seele des Podcast. Selbst bei Meisterwerken meckert er noch. Dabei ist er sehr witzig und schlagfertig, argumentiert mit schlauen, zugespitzten Beobachtungen. Chen und Devindra Hardawar sind als Team eine gut geölte Maschine, die sich ganz automatisch die Bälle zuschmeißt. Quigley nimmt im Dreigestirn indes eher den Küken-Status ein. Gemeinsam kneten sie selbst die schlechtesten Hollywoodfilme so unterhaltsam durch, dass sie wieder attraktiv und sehenswert werden. Einer der besten Momente aller Sendungen war bisher, als sich Chen über den grottigen Copfilm „Street Kings“ mit Keanu Reeves ausließ und stichhaltig ausführte, dass der Überfall auf Terry Crews aus einer McBain-Episode der Simpsons geklaut wurde.

"Fair Enough"

Chen, Hardawar und Quigley sind normale Kinozuschauer, die keine Pressevorführungen besuchen. Der gewöhnliche Filmkritiker schaut eigentlich auf den Zuschauer herab, weil er die Filme früher sehen darf und somit einen Wissensvorsprung hat. Die drei aber sehen die Filme am regulären Startwochenende und diskutieren danach. Der gleiche Level zwischen Podcast und Zuschauer wirkt anregend. Außerdem ist der Slashfilmcast ein ganz guter Spiegel der amerikanischen Gesellschaft, soweit das junge Männer zwischen Studium und Job betrifft, so genannte Twentysomethings, die früher als Nerds verlacht wurden und sich heute selbst stolz als Geeks bezeichnen. Weibliche Besucher der Talkrunde, wie Angie Han oder Christina Warren, wirken unheimlich erfrischend in die teilweise sehr beschränkten Sichtweisen der Jungs hinein. Warum nicht auch einmal über die Darstellungen interessanter Frauenfiguren in Judd-Apatow-Komödien nachdenken. Normalerweise spielen Frauen in ihren Betrachtungen nämlich kaum eine Rolle, es sei denn, sie sehen heiß aus, oder David Chen betont mal wieder, dass er ja eine Freundin hätte. Sie schweben in dieser Internetblase, in der die Worte der anerkannten Filmkritiker wie Roger Ebert oder Todd McCarthy nicht mehr zählen als der smarter Kurzkommentar eines anonymen Users in der imdb-Datenbank. Das ist Meinungs-Demokratie, aber auch teilweise Abschottung von den Alteingesessenen. Sie zitieren ausschließlich positiv befreundete Blogs und lieb gewonnene Internetseiten, wie CHUD.com oder salon.com. Die klassischen Printmagazine wie Entertainment Weekly oder Variety werden dagegen höchstens als Negativbeispiele aufgeführt.

"On the Treadmill"

Häufig grenzen sich die Jungs auch vom gewöhnlichen Zuschauer ab, amüsieren sich über eigensinnige Verhaltensweisen und hohle Kommentare. Heimlich sehen sie sich doch als kleine Elite, die gelegentlich über alle anderen die Nase rümpft. Dabei konsumieren sie hauptsächlich genau das, was ihnen die großen Studios und TV-Sender vorsetzen. Ausländische Filme z. B. schauen sie höchstens, wenn sie für den Oscar nominiert sind. Arthouse-Kinos und Retro-Cinemas scheinen Fremdwörter. Selten reichen ihre Filmreferenzen über die letzten zehn Jahre hinaus. Quigley hasst Western, Hardawar findet Jodie Foster in "Taxi Driver" unerträglich. So gesehen sind sie genau der von ihnen verspottete, amerikanische Durchschnittsfilmfan, nur eben mit höheren Ambitionen, größerem Appetit und mehr Eloquenz. Chen ist allem Anschein nach chinesischer, Hardawar indischer Abstammung, was ihre Filmrezeption zumindest dahingehend facettenreicher und sensibler macht. Sie beklagen sich, wenn der Durchschnittsamerikaner nicht weiß, dass der indische "Love Guru", gespielt von Mike Myers, auch Asiate ist, dass Walt Disney die Kung-Fu-Legenden Jet Li und Jackie Chan in ihrem ersten gemeinsamen Auftritt, "The Forbidden Kingdom", ausgerechnet von einem All-American-Boy retten lässt und allgemein, dass asiatische Schauspieler in Hollywoodfilmen entweder Shaolin-Mönche oder Computernerds spielen müssen. Aber genauso bewundern sie die Entlarvung asiatischer Stereotypen in "Harold & Kumar Escape From Guantanamo Bay" und jubeln über den im Sci-Fi-Film "Sunshine" für sie logischerweise hohen Anteil asiatischer Crewmitglieder.

"You Got the Touch"

Letzten Dienstag landete der Slashfilmcast einen netten Coup: Eric Vespe, vielen eher bekannt unter dem Pseudonym Quint von den Aintitcool-News, war Gast bei der "Wall-E"-Sendung. Im Internet ist Quint ein Star und seine Anwesenheit so etwas wie das ultimative Gütesiegel. Ja, vielleicht war das sogar eine Art Wachablösung, da die Aintitcool-News die letzten Jahre doch sehr egal geworden sind. Die Zeiten der großen Setberichte über "Lord of the Rings" und "Kill Bill" sind längst vorbei, Übergeek Harry Knowles hat inzwischen geheiratet und sich eine längere Auszeit gegönnt. Sein Sidekick Moriarty versucht sich mit wechselndem Erfolg als Drehbuchautor für John Carpenter. Die meisten irreführenden Lobeshymnen auf mediokere Filme liest man kaum noch. Der Slashfilmcast ist erfrischend anders: Es geht ihnen nicht darum, vor allen anderen die Filme zu sehen, sondern die originellste und unterhaltsamste Meinung zu haben. Die drei Geeks machen ganz allgemein Lust auf aktuelle Filme und ausschweifende Filmdiskussionen.

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Danke!
Hallo Schwanenmeister,
Möchte diesen Post mal nutzen und Dir sehr sehr herzlich Danken für die absolut informativen Beiträge.

Genialer Blog und gott sei Dank habe ich ihn gefunden. :-)

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Oh, ein Leser! Ich danke für deine Reaktion! Übrigens gibt es jetzt passend zu meinem recycelten Beitrag den neuesten Slashfilmcast mit Regisseur Kevin Smith zu "Watchmen". Film fand ich eher na ja, aber den Podcast dazu höre ich mir gerne an.

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