Donnerstag, 16. April 2015
Cannes-Programm 2015

Der andere Trier: Eisenberg in "Louder Than Bombs" © Motlys
Das 68. Filmfestival von Cannes findet vom 13. bis 24. Mai statt.

Festivaldirektor Thierry Frémaux reizt das französische Kontingent mit vier Wettbewerbsfilmen (darunter der neue Jacques Audiard-Film "Dheepan") voll aus. Wenn man den französischen Eröffnungsfilm "La Tête haute", der außer Konkurrenz gezeigt wird, noch hinzunimmt, ist das ein starker Fokus auf die eigenen Talente. Augenfällig auch, dass alle drei Cannes-tauglichen Italiener (Morettis Neuer wird schon in der Trade Press besprochen) zum rechten Zeitpunkt fertig wurden und somit einen breiten europäischen Block bilden. Auch wenn Yorgos Lanthimos' letzter Film "Alpeis" kein Meisterwerk war und die ganz große Euphorie abgeklungen ist, bin ich doch sehr gespannt auf seinen Wettbewerbsbeitrag "The Lobster". Die Handlung um eine dystopische Zukunftsvision, in der Singles eingesperrt und dazu gezwungen werden, innerhalb einer 45 Tage-Frist den passenden Partner zu finden, klingt schon mal interessant. Auch dem Australier Justin Kurzel traue ich viel zu. Sein Serienkillerfilm "Snowtown" landete 2011 auf meiner persönlichen Top Ten. Und obwohl seine Schauspieler jetzt Michael Fassbender und Marion Cotillard heißen, reizt mich seine "Macbeth"-Verfilmung vorerst nur wenig, weil ich Shakespeare-Adaptionen per se nicht sonderlich spannend finde. Das kann sich jedoch schnell ändern, wenn ich die ersten Bewegtbilder sehe.

Nachtrag (23.04.): Mit dem ergänzten Nicloux-Film "The Valley of Love" sind es jetzt sogar grenzensprengende fünf französische Wettbewerbsbeiträge.

Wettbewerb:

THE ASSASSIN - Hou Hsiao Hsien
CAROL - Todd Haynes
CRONIC - Michel Franco
DHEEPAN - Jacques Audiard
THE LOBSTER - Yorgos Lanthimos
LOUDER THAN BOMBS - Joachim Trier
MACBETH - Justin Kurzel
MARGUERITE AND JULIEN - Valérie Donzelli
MIA MADRE - Nanni Moretti
MON ROI - Maïwenn
MOUTAINS MAY DEPART - Jia Zhang-Ke
OUR LITTLE SISTER - Hirokazu Kore-eda
THE SEA OF TREES - Gus Van Sant
SICARIO - Denis Villeneuve
A SIMPLE MAN - Stéphane Brizé
SON OF SAUL - László Nemes
THE TALE OF TALES - Matteo Garrone
THE VALLEY OF LOVE - Guillaume Nicloux
YOUTH - Paolo Sorrentino

Highlights 2014: Foxcatcher, Goodbye to Language, Two Days One Night, Leviathan, Wild Tales, Saint Laurent, Clouds of Sils Maria, Winter Sleep, Timbuktu

In der wichtigsten Nebenreihe und Talentschmiede für den offiziellen Wettbewerb, Un Certain Regard, werden die Entdeckungen der letzten Jahre eigentlich meistens jenseits der großen Namen gemacht. Die bekanntesten Filmemacher sind sicherlich die beiden ästhetisch gestrengen Rumänen Radu Muntean ("Tuesday, After Christmas") und Corneliu Porumboiu ("Police, Adjective"). Auch der melancholische Japaner Kiyoshi Kurosawa ("Kairo") ist ein alter Bekannter. Instinktiv würde mich der Isländer Grimur Hakonarson ("Rams") wegen des Seltenheitswertes interessieren.

Nachtrag (23.04.): Durch die Ergänzungen stark aufgewertet worden, zumal Regisseure wie Weerasethakul oder Mendoza eigentlich den Sprung in den offiziellen Wettbewerb bereits geschafft hatten.

Un Certain Regard:

"Alias Maria" (Jose Luis Rugeles Gracia)
"Cementry of Slendour" (Apichatpong Weerasethakul)
“The Chosen Ones” (David Pablos)
"Don't Tell Me the Boy Was Mad" (Robert Guediguian)
“Fly Away Solo” (Neeraj Ghaywan)
“The Fourth Direction” (Gurvinder Singh)
“The High Sun” (Dalibor Matanic)
“I Am a Soldier” (Laurent Lariviere)
“Journey to the Shore” (Kiyoshi Kurosawa)
"Lamb" (Yared Zeleke)
“Madonna” (Shin Suwon)
“Maryland” (Alice Winocour)
“Nahid” (Ida Panahandeh)
“One Floor Below” (Radu Muntean)
“The Other Side” (Roberto Minervini)
“Rams” (Grimur Hakonarson)
“The Shameless” (Oh Seung-uk)
"Sweet Red Bean Paste" (Naomi Kawase)
"Taklub" (Brillante Mendoza)
“The Treasure” (Corneliu Porumboiu)

Highlights 2014: Bird People, White God, Jauja, Force Majeure, Amour fou

Mit den ersten beiden veröffentlichten Titeln ("Arabian Nights", "My Golden Years") hat die autarke Directors' Fortnight bereits mehr Staub aufgewirbelt als im letzten Jahr mit dem gesamten Programm. 2014 punktete eigentlich nur Bruno Dumonts TV-Serie "Kindkind". Thierry Frémaux mag 2015 keinen Platz für die beiden Kritikerlieblinge Gomes und Desplechin gefunden haben. Umso mehr Strahlkraft verleihen diese cineastischen Schwergewichte jetzt der Nebenreihe. Und ich freue mich ziemlich auf den nächsten Jeremy Saulnier-Film ("Blue Ruin"), der irgendetwas mit Patrick Stewart und Neonazis zu tun haben soll.

Directors' Fortnight:

"In the Shadow of Women" (Philippe Garrel)
"Arabian Nights Trilogy" (Miguel Gomes)
"My Golden Years" (Arnaud Desplechin)
“Allende, mi abuelo Allende” (Marcia Tambutti)
“The Brand New Testament” (Jaco van Dormael)
“The Cowboys” (Thomas Bidegain)
“Embrace of the Serpent” (Ciro Guerra)
“Fatima” (Philippe Faucon)
“Green Room” (Jeremy Saulnier)
“The Here After” (Magnus von Horn)
“Much Loved” (Nabil Ayouch)
“Mustang” (Deniz Gamze Erguven)
“Peace to Us in Our Dreams” (Sharunas Bartas)
“A Perfect Day” (Fernando Leon de Aranoa)
“Songs My Brothers Taught Me” (Chloe Zhao)
“Yakuza Apocalypse: Great War of the Underworld” (Takashi Miike)
“Dope” (Rick Famuyiwa)

Die Critics' Week ist meistens für ein, zwei Geheimtipps gut. Und sie beherbergt dieses Jahr die bislang einzige deutsche Co-Produktion aller Cannes-Reihen. Aber fast selbstverständlich zu erwähnen, dass dieser Film, nämlich "Mediterranea", von keinem Deutschen, sondern von einem Italoamerikaner gedreht wurde.

Critics' Week:

“The Anarchists” (Elie Wajeman)
“Les deux amis” (Louis Garrel)
“La Vie en grand” (Mathieu Vadepied)
“Degrade” (Arab and Tarzan Abunasser)
“Krisha” (Trey Edward Shults)
“Mediterranea” (Jonas Carpignano)
“Ni le ciel, ni la terre” (Clement Cogitore)
“Paulina” (Santiago Mitre)
“Sleeping Giant” (Andrew Cidivino)
“La tierra y la sombra” (Cesar Acevedo)

Highlights 2014: It Follows, The Tribe, The Kindergarten Teacher

Bei den reihenlosen Event-Filmen stellt sich die Frage, wie schwach der neueste Pixar geworden sein muss, dass er nicht einmal mehr Cannes eröffnen kann. Böse formuliert. Mit Woody Allen habe ich eigentlich seit seinem starken dritten Frühling ("Vicky Cristina Barcelona", "Midnight in Paris") schon länger wieder abgeschlossen. Und wenn man dem Netz-Buzz Glauben schenken will, soll man für George Miller noch mal ein Türchen aufmachen, weil er angeblich zu seinen Wurzeln zurückgekehrt ist. Ich bleibe da skeptisch, weil der Australier zu lange die Donnerkuppel nicht mehr betreten hat und seit Jahrzehnten Filme für die ganze Familie dreht. Ich lasse mich gerne positiv überraschen.

Out of Competition:

“Amnesia” (Barbet Schroeder)
“Asphalte” (Samuel Benchetrit)
“L’esprit de l’escalier” (Pabla Lucavic)
“Hayored lema’ala” (Elad Keidan)
“Inside Out” (Pete Docter, Ronaldo Del Carmen)
“Irrational Man” (Woody Allen)
“The Little Prince” (Mark Osborne)
“Mad Max: Fury Road” (George Miller)
“Oka” (Souleymane Cisse)
“Panama” (Pavle Vuckovic)
“A Tale of Love and Darkness” (Natalie Portman)

Die drei Mitternachtspremieren schauen allesamt nach viel Spaß aus. Warum Gaspar Noe hierhin verbannt wurde, wird sein dreistündiger Erotikfilm "Love" zeigen müssen. Aber wie die Amy Winehouse-Doku und der koreanische Genrefilm sind das jeweils Projekte, die jetzt schon meine vollste Aufmerksamkeit haben.

Midnight Screenings:

“Amy” (Asif Kapadia)
"Love" (Gapar Noe)
“Office” (Hong Won-chan)

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